Installationviews: Sophie Thun
Kerstin von Gabain - The Art Gallery of Rogues
batman domesticus
wieso heisst batman eigentlich nicht mouseman wo er doch viel mehr eigenschaften mit der gewöhnlichen hausmaus als mit fledermäusen gemeinsam hat? er verfügt zwar über eine höhle, bewohnt diese aber nicht, sondern nutzt sie nur als versteck in das er sich bei gefahr zurückzieht ähnlich einer maus die sich in ihr loch verkriecht. genausowenig schläft er dort von der decke hängend, sondern tut dies in einer villa in einem warmen bett. wer schon mal ein mäuseproblem hatte weiss nur all zu gut, dass sich diese tiere mit vorliebe in betten, decken und pölstern einnisten. fledermäuse hingegen halten ihre körper im schlaf gegenseitig warm und sind deshalb auch meist in größeren gruppen anzutreffen und in scharen unterwegs. batman aber ist einzelgänger. er kann auch nicht aktiv fliegen. mit seinem umhang gleitet er nur durch die luft, denn er hat ja weder flügel bzw. flughäute so wie fledermäuse noch verfügt er über übermenschliche kräfte wie etwa superman. er tut eben nur so als könnte er fliegen, ähnlich einer maus mit fallschirm. das wichtigste merkmal aber das weder batman noch die hausmaus mit fledermäusen gemein haben sind deren fangzähne und das damit verbundene blutsaugen. obwohl nur die wenigsten fledermausarten tatsächlich blut trinken hat sich das bild von der fledermaus als vampir in unserer kultur doch so weit etabliert, dass man auch im fall von batman davon ausgehen muss, dass sich einem jeden diese assoziation früher oder später aufdrängt. wenn batman aber dem namen nach eine fledermaus ergo ein vampir ist, warum hat er dann alle eigenschaften einer harmlosen, kleinen hausmaus und keine der blutsaugenden, infektiösen fledermäuse/vampire? die antwort auf diese frage ist einfach: weil batman ein vampir ist, der sich als maus ausgibt.
bruce wayne, der mann hinter der maske, ist nicht nur wohlhabend, er ist sogar multimillionär. der leser erfährt zwar nur am rande, dass er dieses vermögen von seinen eltern, deren ermordung er als kind miterleben musste, geerbt hat und dass er aufgrund dieses traumas sein leben dem kampf gegen das organisierte verbrechen widmet, diese spärlichen informationen reichen aber vollkommen aus um ihn nicht nur als vertreter des amerikanischen geldadels (vain, eitel) sondern sogar als angehörigen des europäischen hochadels (robert the bruce) zu identifizieren. der umstand, dass seine eltern zuerst durch geschickte immobilienspekulationen zu enormem reichtum gelangt sind, in weiterer folge aber eines gewaltsamen todes sterben mussten, lässt außerdem nicht nur raschen zweifel am vordergründig harmlosen image vom millionenerben als philantrop und playboy aufkommen, sondern legt viel mehr noch die vermutung nahe, dass bruce wayne selbst eine zentrale figur eben jenes organisierten verbrechens sein könnte welches er in der verkleidung als batman zu bekämpfen vorgibt. genauso wie man fledermäuse mit vampiren gleichsetzt tut man dies doch auch mit vampiren und adeligen (graf dracula). auch wenn er keinen adelstitel trägt so bewohnt er doch eine art schloss, beschäftigt einen butler nach britischem vorbild (alfred) und ist auf keinerlei arbeit im sinne eines broterwerbs angewiesen. stattdessen verbringt er den großteil seiner zeit mit robin (rotkehlchen), einem jüngeren spielgesellen gleichen geschlechts. man erinnere sich in diesem zusammenhang an die lesbische liebe und das aristokratische milieu in joseph sheridan le fanus "carmilla" aus dem jahre 1871, dem eigentlich ersten modernen vampirroman. egal ob man in der figur des bruce wayne nun eher den kapitalistischen ausbeuter oder den aristokratischen blutsauger sehen will, die parallelen sind nicht von der hand zu weisen.
jetzt bleibt nur noch die frage zu klären warum die autoren ihr publikum denn derart hinters licht zu führen versuchen sollten bzw. warum von jenem die vielen mehr oder weniger eindeutigen hinweise auf den wahren inhalt der geschichte meist nicht richtig gelesen werden wollen. vordergründig könnte man meinen, es handle sich bei den batman comics vor allem um eine besonders raffinierte und subtile art der public relations im sinne eben jener gesellschaftlichen elite, die um karl kraus zu paraphrasieren "vorgibt die heilung für jene krankheit zu sein die sie selbst verursacht". dies würde auch erklären warum der superreiche bruce wayne in die rolle der armen, kleinen batman-maus schlüpft, die sich selbstlos und tapfer, dem david im kampf gegen goliat gleich, zum schutz der armen und verfolgten einem übermächtigen gegner namens "organisiertes verbrechen" immer wieder aufs neue entgegestellt. der täter wird hier nicht nur zum opfer stilisiert, sondern in weiterer folge sogar noch als held gefeiert. es findet also nicht nur eine täter-opfer-umkehr statt, die lüge vom "armen täter" wird durch dessen mythologisierung sogar noch gegen jede kritik quasi immunisiert. der oberflächliche leser wird deshalb genausowenig auf die idee kommen (wollen), dass sein held batman in wahrheit der obergangster bruce wayne ist, wie etwa der brave katholik auf die idee kommen wird (wollen), dass sich hinter der wohltätigen fassade der kirche eine kaum vorstellbare raffgier und machtversessenheit verbirgt die buchstäblich über leichen geht. die grenze zwischen selbstbetrug und fremdbetrug ist eben eine fließende. abschließend wollen wir uns noch kurz jener metaebene zuwenden, die die möglichkeit einer solchen "verschwörung" nicht nur nicht ausschließt, sondern diese sogar voraussetzt. eine verschwörung in diesem zusammenhang ist ja nichts anderes als die unmerkliche abspaltung eines teils der gesellschaft vom rest und zwar durch das mittel der geheimhaltung bzw. der verdrängung. dieser schatten, dieses alter ego, dieser doppelgänger oder wie auch immer man den vergessenen, verborgenen, verdrängten teil nennen will hat aber nur solange ein eigenleben und steht in konkurrenz zum rest solange diese spaltung des subjekts bzw. der gesellschaft in eben einen guten, offenen teil und einen bösen, verschlossenen teil in dem maße aufrecht erhalten bleibt, in dem beide aspekte ihre grundsätzliche einheit nicht als solche erkennen können. auf die geschichte von batman übertragen soll das heissen, dass solange batman/bruce wayne nicht einsehen will, dass er sich im joker selbst gegenüber steht, so wie im riddler seinem freund robin oder im pinguin seinem butler alfred, solange wird er diese bekämpfen und von diesen bekämpft werden. des einen helden sind des anderen schurken und umgekehrt. wo eine villa ist, da ist ein villain nicht weit entfernt.
wien, märz 2015
johann neumeister
anmerkung der redaktion: der text spiegelt die interpretation des autors nicht
aber die der künstlerin wieder