BÜRO WELTAUSSTELLUNG

POST­WEST 1

WURST WUST WEST

POST­WEST eine Hom­mage an FRANZ WEST (1947–2012)

"Nein, ich bin nicht Zu­kunfts- son­dern bloß Ge­gen­warts­vi­sio­när und die „kol­lek­ti­ve Krea­ti­vi­tät“ er­gibt sich durch das Bei­ein­an­der­ste­hen di­ver­ser Po­si­tio­nen, (…), doch so wie bei den eng­li­schen Em­pi­ris­ten, spä­ter auch bei Marx, ein kol­lek­ti­ves Zu­sam­men­ar­bei­ten wie eine Ma­schi­ne be­grif­fen wird. Und dass sich da­mit et­was an­de­res er­gibt, als man bei ei­ner Ein­zel­aus­stel­lung sähe.“ Franz West, 2008 1

 

POST­WEST 1
Wurst Wust West

Der Un­ter­ti­tel „Wurst Wust West“2 steht, wie die Stei­ge­rungs­form ei­nes Ad­jek­tivs oder die Kon­ju­ga­ti­on ei­nes un­re­gel­mä­ßi­gen Verbs für eine höchst idio­syn­kra­ti­sche sprach­li­che Co­die­rung, die die spie­le­ri­schen Wort­bil­dun­gen von Franz West ge­nau­so in Be­tracht zieht, wie sein un­be­fan­ge­nes Ar­bei­ten und sei­nen non­cha­lan­ten Um­gang mit künst­le­ri­schen Werk­stof­fen. Im Zu­sam­men­hang mit der Aus­stel­lung „Die Alu­skulp­tur“ im Schloss­park Am­bras im Som­mer 2000, wo sich sei­ne far­bi­gen Skulp­tur­wus­te, phal­li­sche For­men, im Park wie über­di­men­sio­nier­te, un­för­mi­ge Nackt­schne­cken aus Alu­mi­ni­um aus­brei­te­ten, er­wähn­te er erst­mals die Wort­kom­bi­na­ti­on „Wus­te, Qül­ze oder Qwert­ze“. Und un­ter An­ga­be sei­ner „Grund­mo­ti­va­ti­on der Schlam­pe­rei und Faul­heit“ er­läu­ter­te er: „Was kann man da [also dann, wenn man die­ser Mo­ti­va­ti­on un­ter­liegt] schon an­de­res ma­chen, au­ßer Qül­ze?“3 „Qül­ze“ ist Aus­druck ei­nes Schaf­fens un­ter den Be­din­gun­gen des ge­rings­ten Wi­der­stands, ein un­ge­küns­tel­tes Tun, und „Wus­te“ be­inhal­tet si­cher­lich auch die wohl­wol­len­de An­er­ken­nung des Hand­werks an sich.

Den zi­vi­li­sa­to­ri­schen Kunst­bal­last den Franz West ab­streift, wenn er ge­dank­lich auf das di­let­tan­ti­sche Ar­bei­ten von Teil­neh­mern ei­nes Töp­fer­kur­ses re­kur­riert, die sich ohne Kön­nen und Wis­sen auf das Wer­ken mit Ma­te­ria­li­en ein­las­sen, den Ton oder Lehm be­grei­fen, in ih­ren Hän­den spü­ren und ihn ohne jeg­li­che Vor­be­las­tung be­ar­bei­ten, er­in­nert an die Ur­sprungs­fan­ta­si­en der Künst­ler der Mo­der­ne. Die Sehn­sucht nach ei­nem Neu­be­ginn, der das Kind­li­che, Exo­ti­sche und Nai­ve stell­ver­tre­tend um­schreibt, und nach ei­nem Ich, das sich aus den Fes­seln sei­nes Um­felds be­freit hat, ent­wi­ckelt sich im prak­ti­zie­ren­den Voll­zug.

Die Aus­stel­lung „Wurst Wust West“ nä­hert sich Franz Wests Werk­kon­zept, sei­nem Ge­wus­te, as­so­zia­tiv und kol­lek­tiv, denn eine „kol­lek­ti­ve Krea­ti­vi­tät“ er­gibt sich, wie er ein­mal sag­te, durch das Bei­ein­an­der­ste­hen di­ver­ser Po­si­tio­nen4. We­der die Bio­gra­fi­en der ein­zel­nen Künst­ler und Künst­le­rin­nen noch der Ein­fluss von West sol­len in das Zen­trum des In­ter­es­ses ge­rückt wer­den, son­dern aus­ge­wähl­te Ar­bei­ten wie Ge­la­tins „Ka­ka­bet“ (2008), Mar­cus Gei­gers „Wurst“ (2006) aus Filz oder Paul Mc­Car­thys „Pe­nis und Va­gi­na“ (1998-2000) er­schlie­ßen im Ne­ben­ein­an­der Ana­lo­gi­en, die uns in­ter­es­sie­ren. Wie in ei­nem Souf­flé5 sol­len sich die ein­zel­nen Wer­ke zu ei­ner leich­ten, fast zu­fäl­li­gen Kom­po­si­ti­on ver­men­gen, die manch­mal ganz ein­fach auf­geht. 

 

Ste­fan Bid­ner
 

 

1 „FRANZ WEST - SOUFFLÈ, eine Mas­sen­aus­stel­lung“, Hg: Ste­fan Bid­ner, Kunst­raum Inns­bruck (Ver­lag der Buch­hand­lung Walt­her Kö­nig, Köln 2008), S. 4 2 Anm.: „Wust“ de­fi­niert der Du­den un­ter an­de­rem als un­ge­ord­ne­te Men­ge
3 „Franz West, Die Alu­skulp­tur im Schloss­park Am­bras“, Ga­le­rie Eli­sa­beth und Klaus Tho­man, Inns­bruck, in Zu­sam­men­ar­beit mit Da­vid Zwir­ner, New York, Juni bis Ok­to­ber 2000, Hg: Klaus Tho­mas (Ver­lag der Buch­hand­lung Walt­her Kö­nig, Köln, 2000), S. 43
4 Ebd.: „FRANZ WEST - SOUFFLÈ, eine Mas­sen­aus­stel­lung“, S. 4
5 Anm.: „FRANZ WEST - SOUFFLÈ, eine Mas­sen­aus­stel­lung“, 1. Sep­tem­ber - 13. Ok­to­ber 2007, Kunst­raum Inns­bruck 

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